Die Anfänge des Ortes und des Klosters
Die Besiedlung Ichtershausen reicht zurück bis in die Bronze- und Eisenzeit. Für die ersten nachchristlichen Jahrhunderte vermutet man an diesem Platz an der Gera eine hermundurische Siedlung, gefolgt von einer Befestigung eines fränkischen Adligen zum Schutz der Königspfalz Arnstadt. Die erste urkundliche Erwähnung durch Otto I. datiert auf den 27. März 947.
Am 3. Juli 1133 erhält Frideruna von Grumbach von Bischof Bernhard I. von Hildesheim, ihrem Blutsverwandten, Reliquien des heiligen Godehard, Bischof von Hildesheim, (gest. 1038). Diese Reliquien übergibt sie am 9. Juli 1133 der von ihr auf ihrem Besitz zu Ichtershausen in Thüringen errichteten Eigenkirche. Diese Kirche wurde der heiligen Jungfrau und Gottesmutter Maria und dem römischen Märtyrer und „Ritterheiligen“ St. Georg geweiht.
Gründung und Ausstattung des Zisterzienserinnenklosters führte Frideruna hochbetagt gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn Markward II. von Grumbach im Frühjahr 1147 durch, wobei sie sich durch den Mainzer Erzbischof Heinrich I. beraten ließ. Die ersten Nonnen unter Äbtissin Hochburg kamen aus dem Kloster Wechterswinkel in Unterfranken. Die geistliche Betreuung wurde den Augustiner-Chorherren übertragen; als erster Propst erscheint ein gewisser Ludiger. Die Vogtei behielt sich der Mitstifter Markward II. von Grumbach für sich und den jeweils ältesten seiner direkten Nachkommen vor.
Die Bestätigung der Ichtershäuser Klostergründung erfolgte durch König Konrad III. am 24. April 1147 in Nürnberg und durch Erzbischof Heinrich I. von Mainz am 16. Juni 1147 auf einer Synode zu Erfurt. Frideruna übergab dem Kloster zu Anfang des Jahres 1148, wieder gemeinsam mit ihrem Sohn Markward, die von ihr zu Egstedt errichtete und Johannes dem Täufer gewidmete Kirche. Auch diese Schenkung wurde durch Erzbischof Heinrich I. im Februar 1148 bestätigt. Zwischen 1148 und 1157 verstarb die Klosterstifterin Frideruna von Grumbach.
Ichtershausen im Brennpunkt deutscher Kaiserwahlen
Friedrich I. „Barbarossa“ regierte von 1152 bis 1190. Als er auf dem III. Kreuzzug starb, übernahm sein ältester Sohn, König Heinrich, die Regentschaft. In den jungen Jahren vermochte auch er die Kaiserkrönung zu erreichen, obwohl ihm nur wenige Jahre des Regierens vergönnt waren. Im Jahre 1197 erlag Heinrich der VI. mit 32 Jahren einer Krankheit. Sein Sohn und vorgesehener Erbe der kaiserlichen Herrschaft, Friedrich, war zu diesem Zeitpunkt erst drei Jahre alt.
Um die Macht der so geschwächten Staufer zu erhalten, trafen sich Herzöge, Markgrafen, andere Adlige und der Erzbischof von Magdeburg im März des Jahres 1198 in Arnstadt, Ichtershausen und Erfurt. Hier suchten sie nach einem geeigneten Mann, unter dessen Führung der staufische Machterhalt gesichert werden konnte.
Im März 1198 wurde der jüngste Sohn Friedrich „Barbarossas“, Philipp von Schwaben, in Ichtershausen zum König bestimmt, am 8. März in Mühlhausen, Thüringen, von der staufischen Partei gewählt und am 6. September 1198 in Mainz durch den burgundischen Erzbischof Aymon von Tarentaise gekrönt. In einem Brief an Papst Innozenz III. nennt Philipp selbst den 6. März 1198 als den Tag der Wahlentscheidung.
1204 wurde der Thüringer Landgraf Hermann vom Stauferkönig Philipp von Schwaben in der Klosterkirche gedemütigt. Gegen die Stellung von Geiseln erhielt er Gnade. Unter diesen Geiseln befand sich auch sein minderjähriger Sohn Ludwig IV., der spätere berühmte Landgraf und Gemahl der heiligen Elisabeth.
Ein „unechtes“ und doch bedeutendes Zisterzienserkloster
Das Kloster Ichtershausen galt im Hochmittelalter als vorbildliches Zisterzienserinnen-kloster. Sein religiöses, kulturelles und soziales Engagement fand in der Öffentlichkeit höchstes Lob.
Gleichwohl fasste der (Zisterzienser-)Orden von Citeauxdas Unternehmen von Ichtershausen als das auf, was es auch gewesen ist: als fromme und politische Privatangelegenheit edel gesinnter Stifter und caritativ handelnder Klosterfrauen; als eine segensreiche Einrichtung, die man nicht stören sollte, aber auch nicht fördern brauchte.
Obschon die drei Zisterzienseräbte von Eberbach, Walkenried und Volkenroda bei der Weihe der Äbtissin zugegen gewesen sind, so hat das Nonnenkloster doch nie in einem strukturellen Zusammenhange mit dem Orden gestanden. Kein Zisterzienserabt erschien als Visitator, und als um 1500 ein solcher auftritt, ist es der Benediktinerabt von Bürgeln.
Das geistliche Oberhaupt der Nonnen ist nicht der Abt von Citeaux, sondern der Erzbischof von Mainz. Möglicherweise ist das die Erklärung dafür, warum die Klosterkirche Ichtershausen in keiner Weise der typischen Architektur der Zisterzienser folgt. Über ihren Bau ist wenig überliefert. Dass sie 1147 fertig gestellt war, als die Nonnen einzogen, kann als sicher gelten.
Von den Klostergebäuden werden in den Urkunden genannt: Sommer- und Winterrefektorium, Kapitelsaal, Krankenhaus, Gastzimmer, Novizenhaus, Küche, Gefängnis, das Pförtnerhaus am Tore und vor demselben die Klosterschänke. Dass die Räume sehr ausgedehnt und der Betrieb der Anlage sehr leistungsfähig gewesen sein müssen, geht aus den Fürstenversammlungen hervor, die hier gehaltenen wurden: 1198, 1204 und zuletzt 1546.
Das Kloster als Ort der Besinnung und der Weltverantwortung
Das Leben der Nonnen spielte sich in großer Stille und in einfacher Weise ab. Jede Stunde, jeder Tag nach seiner periodischen Wiederkehr und liturgischen Bedeutung, waren auf die VITA CONTEMPLATIVA CHRISTIANA gerichtet: auf ein Leben, das aus täglicher Besinnung erwächst. Der tägliche Gottesdienst wechselte ab mit täglicher Arbeit, unterbrochen von den zahlreichen Festtagen im christlichen Jahreskreis.
Die Arbeit erstreckte sich auf das Anfertigen von Kleidern, von Talglichtern und Seife, das Weben und Stricken von Paramenten, auf die Arbeit im Klostergarten, die Herstellung von Kräutern, Gewürzen und Medizin sowie auf das Kochen und Waschen. Die Kost, die in tönernem Geschirr aufgetragen wurde, war einfach. Hülsenfrüchte, Gemüse und Mehlspeisen spielten die Hauptrolle. Ein schwaches, würziges Bier und an festlichen Tagen und (natürlich beim regelmäßigen Abendmahl, der Eucharistie) Wein waren die Getränke bei den Mahlzeiten.
Von der Außenwelt waren die Nonnen weitgehend abgeschlossen. Keine durfte ans Fenster treten, einen Brief oder Boten absenden, noch viel weniger ausgehen. Ausnahmen konnte nur der visitierende Abt gestatten.
Das strenge und asketische Leben stand in Kontrast (und in Korrespondenz) zu dem ständig wachsenden Reichtum des Klosters. Mit zunehmendem Reichtum wichen allerdings die fromme Demut und die weltliche Anspruchslosigkeit. Nach und nach machten sich Müßiggang, Üppigkeit, Ungehorsam und Zuchtlosigkeit breit. Manche Äbtissin bemühte sich vergebens um Zucht und Ordnung. Der Beichtvater Conradus Ottonis benötigte unter seinem Chorhemd einen geheimen Panzer, den er täglich angelegt haben soll. Mehrere Nonnen mussten zur Strafe und Besserung in anderen Klöstern untergebracht werden.
Ichtershausen als Reformationsort
Die (Neben-)Folgen der Reformation gingen auch am Kloster Ichtershausen nicht vorbei. Es fiel den vom „Schwärmer“ Thomas Müntzer beeinflussten Bauern und dem Bildersturm zum Opfer. Wenige Tage nach Ostern 1525 rücken die aufständischen Bauern näher. Die Nonnen flüchten in das befestigte Erfurt. Die Bauern stürmten das Kloster, wobei sie Hausgeräte rauben und zerstören, Ställe und Scheunen entleerten und die Erb- und Zinsbücher verbrannten.
Kurfürst Johann von Sachsen schlug am 16. Juni 1525 in Ichtershausen sein Lager auf und hielt ein strenges Strafgericht über die Bauern. Einige Nonnen kehrten zurück, sie bildeten aber keine lebensfähige Kommunität mehr. Die Klosterkirche St. Georg & Marien wurde dem evangelischen Gottesdienst, mit Heinrich Gnesius als dem ersten lutherischen Pfarrer, übergeben. Die meist älteren, zurückgekehrten Nonnen fanden Aufnahme und Pflege im Klostergebäude.
Gnesius unterhielt engen Kontakt und Briefwechsel mit Martin Luther. Dazu gehörte u.a. die Beratung zu damals brisanten Themen, wie der „Taufe eines Judenmädchens" und der dazugehörigen „Kleiderordnung". Philipp Melanchthon selbst visitierte Ichtershausen 1526 gemeinsam mit Myconius, Planitz und Cotta. 1539 wurde das Kloster aufgehoben, ein Kammergut gegründet und mit dem Bau des „Alten Schlosses“ begonnen.
Am 6. Juli 1546, während eines Kongresses des Schmalkaldischen Bundes, schrieben die protestantischen Fürsten Johann Friedrich der Großmütige und Philipp von Hessen in Ichtershausen ihren historischen Absagebrief an den Kaiser, dem der Schmalkaldische Krieg folgte.
Als ein „Musterexemplar“ lutherischer Theologie, Frömmigkeit und Weltverantwortung ist Wilhelm Hey (1789-1854) zu nennen. Zunächst als Hofprediger in Gotha tätig, dort eng mit dem Verleger Friedrich Perthes befreundet, wurde er 1832 als Pfarrer, Superintendent und Schulinspektor nach Ichtershausen versetzt und blieb hier bis zu seinem Tod 1854.
Wilhelm Hey widersetzte sich in vielfältiger Weise dem theologischen Rationalismus seiner Zeit. Er wirkte für ein lebendiges Christentum und engagierte sich mit sozial-caritativen Maßnahmen, u.a. mit einer Hilfskasse für Handwerker, durch eine von ihm selbst geleitete Fortbildungsschule für Handwerkslehrlinge und ein „Kinderheim“, das arbeitenden Müttern die Sorge um die Betreuung ihrer Kleinen abnahm. Unter seiner Mitwirkung wurde 1842 der Männergesangsverein „Liedertafel“ ins Leben gerufen. 1847 ehrte ihn die Theologische Fakultät der Universität Heidelberg mit der Ehrendoktorwürde als „einen um ganz Deutschlands Jugend hochverdienten Mann.“
Berühmt wurde Hey vor allem als Fabeldichter, als Übersetzer und Liederdichter. Zu den bekanntesten seiner zahlreichen Lieder gehören: „Vöglein im hohen Baum“, „Wer hat die Blumen nur erdacht“, „Weißt du wieviel Sternlein stehen“ oder das Weihnachtslied „Alle Jahre wieder“. Ihm ist ein Denkmal auf der Südseite der Klosterkirche gewidmet.
Das Kloster als Jagdschloss, als Ort barocker Herrschaft und als Strafvollzugsanstalt
Mit Aufhebung des Klosters 1539 fiel der gesamte Besitz an die Kurfürsten Johann Friedrich I. und Johann Ernst von Sachsen Coburg. Diese befahlen, in Ichtershausen ein repräsentatives Haus für ihre Regentschaft und die herrschaftliche Jagd einzurichten. So entstand auf den Mauern der romanischen Klausur nach den Plänen des Baumeisters Cunz Krebs zunächst das „Alte Schloss“. Nachdem 1641 der Besitz an das Haus Gotha fiel, weilte Ernst der Fromme in den alten Klostergebäuden.
Sein Sohn, Herzog Bernhard I. von Sachsen-Meiningen, ließ sich am 28. Juni 1676 im „Neuen Schloss“ Ichtershausen nieder. Der ehemalige Klosterbesitz blieb nach dem Bauernkrieg unter weltlicher Herrschaft. Später befand sich auf dem Klosterbezirk, jedoch in neu errichteten Räumen, ein Rent- und Justizamt.
Während der Befreiungskriege 1813/14 befand sich in der Schlossanlage ein Königlich-Preußisches Reservelazarett und während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 waren französische Kriegsgefangene hier untergebracht.
Nach erheblichen Umbauten wurde 1877 in den Schloss-Gebäuden ein Landesgefängnis eingerichtet, das im Wandel der Zeit und der politischen Systeme wechselnde Funktionen erhielt und „Einwohner“ gesehen hat. Diese Geschichte zu schreiben und in Ichtershausen in angemessener Weise dazustellen, gehört zu den dringend anstehenden Aufgaben.
Ein „Neues Kloster Ichtershausen“?
In jüngster Zeit bekommt die Klosterkirche St. Georg & Marien, mit den Kirchen in Thörey und Eischleben, wieder Bedeutung durch das wachsende Interesse an der „Faszination Romanik“. Ein Buch mit dem Titel: „Romanische Wege um Arnstadt und Gotha“ wurde unter Federführung des namhaften Mittelalterhistoriker Matthias Werner erarbeitet und 2007 im Beisein von Ministerpräsident Dieter Althaus und Landesbischof Christoph Kähler in der alten Klosterkirche feierlich der Öffentlichkeit präsentiert.
Auch der „Bund Heimat und Umwelt“ (BHU) mit Sitz in Bonn hat die Kirche umfangreich in der Publikation „Dorfkirchen in Deutschland“ gewürdigt.
Dazu kommt die erstaunliche Konjunktur des Pilgerns (Hape Kerkeling: „Ich bin dann mal weg“) auf dem unmittelbar am Klostergelände vorbeiführenden Weg: dem Jakobs-Pilgerweg, dem Lutherweg, dem Gera-Radwanderweg und dem neu erschlossenen Wanderweg „Auf den Spuren starker Frauen“. Patroninnen dieses Weges sind die Heilige Elisabeth von Thüringen, die Heilige Walburga und Paulina, (deren Name mit der eindrucksvollen Ruine der romanischen Klosterkirche von Paulinzella verbunden ist). Dieser Weg führt von Singen (ein Ort mit der kleinsten Bierbrauerei Deutschlands) über Ichtershausen nach Erfurt. So finden immer mehr Menschen aus Deutschland und Europa ihren (Pilger-)Weg nach Ichtershausen.
Im engen Zusammenwirken aller Verantwortlichen vor Ort, im Land und im Bund, sowie in guter Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern vom Ichtershausen, dem neuen „Amt Wachsenburg“ und des Landkreises, soll künftig ein „CollegiatStift Ichtershausen“ als „Grüne Mitte“ einen konzeptionell klar erkennbaren Gegenüber-Ort und konzeptionell-ortsgestalterischen Gegen-Pol zur „Neuen Mitte Ichtershausen“ bilden.